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Die Vermögensbeschlagnahmen und -wegnahmen – nicht nur von ca. 2,63 Mio. Hektar privaten Grund und Boden, sondern auch des gesamten toten und lebenden Betriebsinventars und der Privatvermögen – während der kommunistischen „Bodenreform“ erfolgten ohne Möglichkeit des Rechtsschutzes und ohne Entschädigung. Im Gegenteil: Die Inhaberfamilien wurden zudem als Klassenfeinde komplett entrechtet.

Die betroffenen Familien wurden mittels „Kreisverweisung“ mit dem Hab und Gut, das sie mit eigenen Händen tragen konnten, innerhalb weniger Stunden oder Tage aus ihren Heimatkreisen vertrieben. Sofern sie nicht vorher fliehen konnten, wurden Inhaber und Betriebsleiter – häufig wegen angeblicher Erntesabotage oder angeblicher Steuerschulden - verhaftet; viele sind dabei infolge von Krankheit, Hunger und Kälte ums Leben gekommen. Insgesamt waren ca. 7.200 Familien mit land- und forstwirtschaftlichen Betrieben von über 100 Hektar Betriebsfläche als „Junker- und Großgrundbesitzer“ sowie ca. 4.500 Familien mit Betrieben unter 100 Hektar Betriebsfläche, die ohne Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung als ehemalige Nationalsozialisten eingestuft worden waren, von dieser Entrechtung betroffen.

Von dem insgesamt konfiszierten land- und forstwirtschaftlichen Vermögen befanden sich ca. 3,2 Mio. Hektar land- und fortwirtschaftlicher Flächen im sozialistischen Volkseigentum der DDR. Viele Entrechtete hatten die Erwartung, zumindest jenen Teil ihres konfiszierten Vermögens, der damals volkseigen war, vom Staat zurückzuerhalten. Jedoch noch vor Beginn der Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen beschloss die „Kommission Deutsche Einheit“ unter der Leitung des damaligen Innenministers Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) schon im März 1990: „Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) werden nicht rückgängig gemacht.“ Im Ergebnis führte dies zu dem sogenannten „Restitutionssauschluss“ im Einigungsvertrag für die „Enteignungen aus besatzungshoheitlicher Grundlage zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 6. Oktober 1949“, während alle zuvor (unter den Nationalsozialisten) und danach (in der 1949 gegründeten DDR) Enteigneten der Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“ galt. Für die Opfer der Bodenreform sollte es nicht einmal eine Entschädigung geben.

 

Diese diskriminierende Behandlung einer ganzen Bevölkerungsgruppe unter Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze haben insbesondere Mitglieder der damaligen Bundesregierung, des Bundestages und des Bundesrats zu verantworten. Die Bundesregierung hatte behauptetet, die Sowjetunion habe ein „Restitutionsverbot“ für die „Enteignungen“ unter der sowjetischen Militäradministration zu einer Vorbedingung für ihre Zustimmung zur Wiedervereinigung gemacht. 112 Abgeordnete des Deutschen Bundestages haben im Rahmen der Abstimmung des Deutschen Bundetages über den Einigungsvertrag und die mit ihm einhergehende Einfügung von Art. 143 Abs. 3 GG in unsere Verfassung immerhin Protesterklärungen gegen das „Restitutionsverbot“ abgegeben. Die Zivilcourage, wegen dieser Diskriminierungen gegen den Einigungsvertrag und die mit ihm einhergehende Grundgesetzänderung zu stimmen, hatten aber nur wenige Abgeordnete.

 

Später belegten Dokumente und Aussagen von Zeitzeugen, dass die von der Bundesregierung behauptete sowjetische Vorbedingung eines „Restitutionsverbotes“ unwahr und eine Erfindung der Bundesregierung war.

Die Bundesregierung hat die parlamentarischen Vertreter des Souveräns offensichtlich angelogen - namentlich Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag zur Lage der Nation am 31. Januar 1991.

 

Auch vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) um das Restitutionsverbot geführte Prozesse haben keinen Rechtsfrieden einkehren lassen. Die an diese Gerichte berufenen Richter haben entgegen ihrem Auftrag, unabhängig vom Einfluss der Exekutive und Legislative ohne Ansicht der Person Recht zu sprechen, die willkürliche Diskriminierung der Betroffenen und das Belügen des Parlaments durch die Bundesregierung nicht sanktioniert. Sie haben so das Fiskalvermögen der Bundesrepublik auf Kosten der Betroffenen endgültig bereichert.

 

Der damalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Roman Herzog, hatte in einer Sitzung dreier Ausschüsse der letzten Volkskammer der DDR am 04. Juli 1990 zum Einigungsvertrag Stellung genommen und so wesentlich zur Standpunktbildung der Volkskammer-Abgeordneten gerade zum Thema „Restitutionsverbot“ beigetragen. Er gilt als „Architekt“ des Art. 143 Abs. 3 GG, der das „Restitutionsverbot“ verfassungsfest gemacht hat. War es bereits ein bemerkenswerter Vorgang, dass der dritthöchste Staatsrepräsentant der Bundesrepublik die Gegenseite in den Verhandlungen zum Einigungsvertrag berät, so war es noch bemerkenswerter, dass er als Präsident des 1. Senates des höchsten deutschen Gerichts 1991 über den von ihm initiierten und empfohlenen Art. 143 Abs. 3 GG im Rahmen des 1. Bodenreformverfahrens selbst geurteilt hat und seine vorherige Tätigkeit für die Volkskammer gegenüber den Verfahrensbeteiligten des. 1. Bodenreformverfahrens nicht aufgedeckt hat. Auf die nicht vorhandene sowjetische Vorbedingung später angesprochen, äußerte der spätere Bundespräsident Prof. Dr. Roman Herzog im Rahmen einer Veranstaltung: Wenn man nicht jene Begründung genommen hätte, hätte man eine andere gefunden, um die Verfassungsbeschwerden der Bodenreformopfer zurückzuweisen.

 

Im 2. Bodenreformverfahren war der auf Vorschlag der FDP an das Bundesverfassungsgericht gewählte, persönliche Freund des damaligen Bundesministers Klaus Kinkel (FDP) der zuständige Berichterstatter am 1. Senat des BVerfG, Prof. Dieter Hömig. In dem von ihm geschriebenen 2. Bodenreformurteil des BVerfG findet sich der wesentliche Inhalt der Einlassung des Bundesministers Kinkel vor dem Bundesverfassungsgericht am 22.01.1991 im 1. Bodenreformverfahren wieder, der für sich in Anspruch nahm, nach seiner damaligen Überzeugung habe es die "Vorbedingung Moskaus" gegeben. Allerdings war Herr Kinkel im Zuge des Einigungsprozesses im Jahre 1990 lediglich Staatssekretär im Justizministerium und als solcher mit den 2+4-Verhandlungen nicht befasst und daran auch nicht beteiligt.  Prof. Hömig wurde im Herbst 2016 vom Präsidenten des Gerichts posthum attestiert "wertvolle Impulse in unternehmensbezogenen Vermögensfragen im Zusammenhang mit der Deutschen Einheit“ gesetzt zu haben.

 

Aus dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wurde berichtet, dass und wie die von der Mitwirkung an der anstehenden Entscheidung ausgeschlossene deutsche Richterin Renate Jaeger (SPD) im Hintergrund massiven Einfluss auf die von ihrem Vorgänger Prof. Ress vorbereitete Entscheidung des EGMR nahm, um den bisherigen Verfahrensverlauf in sein Gegenteil zu verkehren, so dass die Beschwerden der Betroffenen vom EGMR als unzulässig verworfen und nicht zur Entscheidung angenommen wurden.

 

In unserem Rechtsstaat kann die Exekutive offenbar trotz des verfassungsrechtlich geschützten Grundsatzes der Gewaltenteilung maßgeblich Einfluss auf die oberste Justiz nehmen und politisch nicht gewünschte Ergebnisse verhindern. Persönliche Verbindungen und parteipolitische Abhängigkeiten reichen offenbar, um dies zu erreichen.

Für alle Enteignungen normierte das Vermögensgesetz den Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“. Nur für die zwischen 1945 und 1949 konfiszierten Vermögen galt und gilt dies wegen des Restitutionsausschlusses nicht. Soweit die Betroffenen bereits zum Zeitpunkt der tatsächlichen Konfiskation ihres Vermögens im Jahr 1945 US-Staatsbürger waren, hat die Bundesrepublik 1993 ein Abkommen mit den Vereinigten Staaten über die Entschädigung amerikanischer Opfer geschlossen. US-Bürger und Unternehmen erhalten eine Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes im Zeitpunkt der Konfiskation zuzüglich drei Prozent Zinsen für jedes seither vergangene Jahr. Auch die am 3. Oktober 1990 noch volkeigenen Flächen der während der Bodenreform ebenfalls konfiszierten preußischen Staatsdomänen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt wurden auf diese Länder als Teilgebietsnachfolger des Staates Preußen zurückübertragen.

 

Infolge der Arbeit der AfA gelang es 1994, zumindest eine minimale Wiedergutmachungsleistung in Form von Geldansprüchen und Flächenerwerbsrechten durchzusetzen. Der Gesetzgeber kehrte jedoch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts einer den Vorgaben des Gleichheitsgrundsatzes in Art. 3 Grundgesetz entsprechenden Ausgleichsleistung in ihr Gegenteil um. Die Geldansprüche wurden erst zehn Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes ab 2004 ausbezahlt und entsprachen nur ca. 2,45% des damaligen Wertes der konfiszierten Vermögen. Nur etwa 5% der Alteigentümer gelang es, Flächen von der Treuhandanstalt/BVVG zurückzupachten und einen landwirtschaftlichen Betrieb wiedereinzurichten.  Mit ihren Flächenerwerbsrechten konnten Alteigentümer nur Flächen in einem Umfang zurückerwerben, die zwischen 5 und 10% der früheren Betriebsgröße entsprachen. Die erwerbbaren Hektarzahlen lagen unterhalb der vom BMWi betriebswirtschaftlich für verantwortbar gehaltenen Betriebsgröße. Bestehende Pachtverträge mussten bis zu 18 Jahren Gesamtlaufzeit verlängert werden, während die BVVG selbst nur sehr viel kurzfristigere Pachtverträge abschloss. Die Pachten lagen unter den Darlehenszinsen für einen Erwerb, der, da die Ausgleichsleistung erst ab 2004 ausbezahlt wurde, vorfinanziert werden musste. Die Flächen waren für anfänglich 20 und sind derzeit für 15 Jahre nach ihrem Erwerb weder beleihbar noch frei veräußerbar. Liquiditätshilfen für die Wiederanschaffung des konfiszierten Inventars, beispielsweise für die Erstellung der ersten Ernte, gab es nicht, während die ehemaligen DDR-Betriebe vom Staat entschuldet wurden und Beihilfen erhielten.

 

Die Verwaltungsverfahren bei den Vermögensämtern über die Festsetzung der Ausgleichsleistungen dauerten überlange, teilweise sind sie immer noch nicht abgeschlossen. Dies verhinderte eine schnelle Auszahlung der Ausgleichsleistungen als Wiedergutmachung und behinderte die Alteigentümer bei Ausübung ihrer Flächenerwerbsansprüche. Alteigentümer und Wiedereinrichter wurden und werden nach wie vor im Rahmen der Umsetzung des Flächenerwerbsprogramms systematisch benachteiligt. Die Verwaltungspraxis entscheidet im Zweifel gegen sie.

Die Justiz unternimmt nicht den Versuch mit den ihr nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz gegebenen Möglichkeiten, die als „Bodenreform“ kaschierte Bestrafung einer ganzen Bevölkerungsgruppe aufzuarbeiten. Nach diesem Gesetz sind alle mit einer freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbarenden Strafmaßnahmen im Gebiet der ehemaligen DDR seit dem 8. Mai 1945 für rechtsstaatswidrig zu erklären und aufzuheben – ausdrücklich auch solche, die nicht von einem Gericht verhängt wurden. Die Rehabilitierungsgerichte indes haben bisher noch keine der stalinistischen Strafmaßnahmen des Dreiklangs aus Verhaftung/Internierung, Vermögenskonfiskation und Ausweisung/Vertreibung rehabilitiert, geschweige denn Recherchen zu diesem Unrecht durch entsprechende staatsanwaltliche Ermittlungen veranlasst.

 

Eine historische und rechtliche Aufarbeitung dieses Unrechts sowie eine staatliche Rehabilitierung dieser menschenrechtswidrigen Strafmaßnahmen stehen auch mehr als 25 Jahre nach der Wiedervereinigung aus und sind dringend geboten. Es bleibt zu hoffen, dass die Rehabilitierungsgerichte sich des strafrechtlichen Unrechts annehmen oder der Gesetzgeber die Betroffenen insgesamt als Gruppe rehabilitiert.